Hörstörungen

Kindliche Hörstörungen

Hörstörungen sind die häufigste Sinneseinschränkung im Kindesalter und betreffen ein bis zwei unter 1000 Neugeborenen. Zwei bis drei von 1000 Kindern erlangen eine Hörbeeinträchtigung während der ersten fünf Lebensjahre. Von diesen Kindern haben 90 bis 95% hörende Eltern.

Ursachen:

Die Ursachen für Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit im Kindesalter sind vielfältig. Man unterscheidet zwischen angeborenen Schwerhörigkeiten, und Schwerhörigkeiten, die vor, während oder nach der Geburt auftreten (so genannte prä-, peri- oder postnatale Ursachen).

Angeborene Schwerhörigkeiten können in nicht syndromalen Genmutationen (z.B. Connexin-26) oder syndromalen Erkrankungen (z.B. Usher Syndrom, Trisomie 21, Franceschetti-Syndrom) begründet sein.

Pränatale Ursachen schließen Infektionen der Mutter während der Schwangerschaft ein, die eine Hörminderung des Ungeborenen zur Folge haben können (z.B. Toxoplasmose, Zytomegalie, Mumps).

Zu den perinatalen Ursachen zählen Komplikationen während der Geburt, wie z.B. Nabelschnurumschlingung oder Plazentainsuffizienz.

Postnatale Ursachen können Infektionskrankheiten im frühen Kindesalter (wie z.B. Meningitis) sein, sowie Nebenwirkungen von Medikamenten oder traumatische Vorfälle (z.B. Knalltrauma) sowie Tumore.

Fehlbildungen der Ohrmuschel, des Gehörgangs der Nase und des Kehlkopfes zählen zu den so genannten Risikofaktoren einer Hörstörung.

Lässt sich trotz ausführlicher Anamnese und humangenetischer Abklärung keine Ursache ermitteln, spricht man von einer idiopathischen Ursache.

 

Formen der Schwerhörigkeit:

Je nach Störungsort wird zwischen folgenden Formen der Schwerhörigkeit unterschieden:

Schallleitungsschwerhörigkeit:

Kann der Schall, der im äußeren Ohr aufgenommen wird, nicht vollständig durch das Mittelohr zum Innenohr weitergeleitet werden, spricht man von einer Schallleitungsschwerhörigkeit. Dies kann z.B. durch eine mangelnde Belüftung der Paukenhöhle, Missbildungen oder Veränderungen der Gehörknöchelchenkette (Hammer, Amboss, Steigbügel) verursacht sein.

Schallempfindungsschwerhörigkeit:

Bei dieser Form liegt die Störung im Innenohr (Hörschnecke), im Hörnerv und/oder auf anderen Ebenen der Hörbahn. Traumata, Infektionskrankheiten oder Genmutationen sind meist für diese Form der Hörstörung verantwortlich.

 

Versorgung mit Hörhilfen:

Eine frühe Diagnostik und eine entsprechende Versorgung mit Hörhilfen sind für die Lautsprachentwicklung in den ersten drei Lebensjahren kritisch.

Meist wird eine Versorgung mit Hörgeräten in den ersten Lebensmonaten bei beiden Formen der Schwerhörigkeit angestrebt. Im Falle einer Schallempfindungsschwerhörigkeit wird allerdings, je nach Restgehör, eine zeitnahe Cochlea Implantation empfohlen. Auch bei Schallleitungsschwerhörigkeiten, die sich im Laufe der ersten Lebensjahre kontinuierlich verschlechtern, wir die Implantation als sinnvoll erachtet.

Im Falle einer Fehlbildung des Außen- oder Mittelohres können alternative Hörhilfen, wie z.B. Prothesen oder Knochenleitungshörgeräte oder -implantate in Betracht gezogen werden.

 

Sprachentwicklung im Rahmen einer Hörminderung:

Lediglich die Versorgung mit Hörhilfen reicht jedoch in den meisten Fällen nicht aus.

Hörbeeinträchtigte Kinder benötigen insbesondere in den ersten Lebensjahren Unterstützung beim Spracherwerb. Daher haben betroffene Familien in Deutschland ein Anrecht auf eine häusliche Hörfrühförderung, die von geschulten Heilpädagogen durchgeführt wird.

Im weiteren Verlauf der Sprachentwicklung können sich dann, je nach Ausprägung der Hörstörung und Zeitpunkt der Versorgung mit Hörhilfen, typische Auffälligkeiten in der Lautsprache der Kinder zeigen:

- Nasaler Stimmklang (häufig bei spätversorgten Kindern)

- Grammatikalische (morphologische) Auffälligkeiten (z.B. fehlerhafte Endungen bei der Mehrzahlbildung, Verwechslung von „den“ und „dem“ oder das Weglassen von Lauten am Wortende)

- Lautliche (phonologische) Auffälligkeiten (z.B. Vertauschungen von Lauten oder das Weglassen von Silben)

 

➔ Meist bei gleichzeitig gut entwickeltem Wortschatz und regelrechter Kategorienbildung (semantische Kompetenz, d.h. Dinge aufgrund ihrer Merkmale zu Gruppen zuzuordnen).

 

Ist die Hörstörung eine isoliert auftretende Einschränkung, so sind die Chancen auf einen weitestgehend regelrechten Spracherwerb bei früh und erfolgreich versorgten Kindern sehr hoch.

Tritt eine Hörstörung in Kombination mit einer Sprachentwicklungsstörung auf, so sollten die spezifischen Stärken und Hürden, die hörgeminderte Kinder mitbringen, in die Therapie mit einbezogen werden.

Wie auch bei nicht oder anders assoziierten Sprachentwicklungsstörungen, stehen eine ausführliche Elternberatung und -anleitung für einen positiven Verlauf in der Therapie an erster Stelle.

Hörstörungen und CI

Ca. 60.000 Menschen sind in Deutschland mit einem oder zwei Cochlea Implantaten (CI) versorgt.
Der Grund für die Implantation der Innenohrprothese ist bei Menschen, die nach abgeschlossenem Spracherwerb implantiert werden (Kinder ab ca. 5 Jahren, Jugendliche und Erwachsene) entweder eine nicht mehr ausreichende Versorgung mit konventionellen Hörgeräten oder ein traumatisches oder medizinisches Ereignis, das zu einer plötzlichen hochgradigen Schwerhörigkeit oder Taubheit führt.

Hörvorgang: 

⁃ Trommelfell: gerät durch Schallwellen aus dem äußeren Gehörgang in Schwingung
⁃ Mittelohr: leitet die Schallimpulse vom Trommelfell durch die Hörknöchelchen zum runden Fenster des Innenohrs
⁃ Innenohr: Stimulation der Haarzellen durch Bewegung der Basalmembran
⁃ Hörschnecke (Cochlea): Umwandlung von mechanischer Energie der Sinneshaarzellen in elektrische Information
⁃ Hörbahn: Fasern des Hörnervs (VIII. Hirnnerv, N. vestibulocochlearis) nehmen Information auf und leiten sie über die Kerngebiete im Hirnstamm in den Schläfenlappen (Hörrinde)
⁃ Hörrinde: Dekodierung der Sprache und Verknüpfung mit Informationen aus anderen Sinnessystemen

Ob ein Cochlea Implantat für Patient*innen in Frage kommt, wird im Vornherein mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt besprochen. Wichtige Faktoren, die diese Entscheidung beeinflussen sind unter anderem die Art der Schwerhörigkeit (d.h., welcher Bereich des Ohres betroffen ist), die Dauer der Schwerhörigkeit und die Bereitschaft, nach der Implantation an Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen, da das Hören mit einem CI neu „gelernt“ werden muss.

Funktionsweise des CI:

⁃ der (Sprach-)Schall trifft auf das meist hinter dem Ohr getragene Mikrofon auf und wird im Sprachprozessor in elektrische Signale umgewandelt
⁃ über das Kabel wird diese Information durch die äußere Sendespule in die innen liegende Empfängerspule weitergeleitet
⁃ die Empfängerspule sendet die Signale durch die Elektrode bis ins Innenohr
⁃ im Innenohr stimuliert die Elektrode die entsprechenden Nervenzellen, die diese Information über die Hörbahn in die Hörrinde weitergeben

Sprachtherapeutische Maßnahmen:
Regelmäßige Einstellungen bei einem spezialisierten Hörgeräteakustiker helfen den Träger*innen, das CI den individuellen Bedürfnissen anzupassen und verschiedene Programme für unterschiedliche Geräuschkulissen auszuwählen.
Dennoch klingen Sprache und Geräusche in den ersten Wochen und Monaten nach der Implantation für die Träger*innen befremdlich und ungewohnt, da das Cochlea Implantat ein deutlich geringeres Frequenzspektrum abdeckt als das intakte Innenohr. Neue Geräusche müssen bekannten zugeordnet und die neu klingende Sprache Schritt für Schritt erarbeitet werden. Auch das Richtungshören oder das Verstehen im Störschall bedarf besonderem Training.
Ein weiterer Aspekt ist der ganzheitliche Höreindruck, der entweder aus zwei CI‘s, einem CI und einem Hörgerät oder einem CI und einem regelrecht hörenden Ohr besteht.
Bei dieser Herausforderung werden die CI Träger*innen von geschulten Logopäd*innen und Sprachtherapeut*innen in stationären und ambulanten Behandlungen unterstützt.